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Reisebericht Sahara: Tunesien – Algerien – Niger
Januar/Februar 2003

DURCH DIE WÜSTE
 
Unsere Route ging über Italien (von Trapani auf Sizilien Fähre nach Tunis), durch Algerien (Taleb Larbi - Hassi Messaoud - In Amenas - Ilizzi - Djanet) in den Niger: Chirfa (hier stieß unser Tubu-Führer Hassan zu uns, der uns die nächsten 12 Tage begleitete) - Djado - Orida - Seguedine - Dirkou - Bilma - Fachi - dann vom Arbre du Ténéré in den Süden zu den Gräberfeldern von Ikabkabene, dem versteinertenWald von Guedmaouene und dem Dinosaurierfriedhof Gadoufawa; über die Brunnen InTadroft und Mio ging’s nach Agadez. Die Rückreise erfolgte über Algerien (In Guezzam - Tamanrasset - Arak-Schlucht - In Salah - Ouargla - Toukourt - Taleb Larbi), Tunesien und Italien.
Die Reise war erlebnisreich, spannend und schön!

Als wir Anfang Januar mit den beiden Fahrzeugen, einer ausrangierten Magirus-Feuerwehr (rot) und einem Magirus-Ex-Katastrophenschutzfahrzeug (blau) bei  klirrender Kälte in München aufbrechen, ist ein ganzes Verabschiedungskomitee aus Familie und Freunden angetreten, um uns adieu zu sagen. Zu viert brechen wir auf nach Afrika: Tscharlie, ein Uraltfreund meines Mannes, Bernard, unser französischer Freund, der in München ein kleines Bistro betreibt, mein Mann Hellmut und ich. Eigentlich sind wir ja zu Fünft, denn natürlich hat auch unser Schäferhund Rex wieder seinen speziell angefertigten Sitzplatz in der Doppelkabine. Wir sind der Teil der Reisegruppe, der nicht an feste Arbeitszeiten gebunden ist und daher die Zeit aufbringt, die beiden Fahrzeuge nach Afrika zu überführen. Dort wollen dann noch vier weitere Freunde per Flugzeug zu uns stoßen.

Während der Fahrt durch den ganzen Stiefel Italiens gießt es in Strömen. Egal ob Marken, Abruzzen, Kalabrien oder Sizilien, ganz Italien schwimmt davon. Wir übernachten in unseren Autos an den Autobahnraststätten. Als ich auf Sizilien nachts mal raus muss, ist der Parkplatz übersät mit sich windenden Regenwürmern. Die starken Regenfälle müssen sie von den Grünflächen auf den Asphalt gespült haben.

Wir haben Probleme mit unserer Feuerwehr. Sie verliert die ganze Zeit Öl. Und kaum auf Sizilien angekommen, bringt auch die Hydraulikpumpe kaum noch Bremsdruck und somit funktionieren die Bremsen nicht mehr. Hellmut verflucht den Tag, an dem er die Vorgängerfeuerwehr verkauft und sie gegen diese etwas PS-stärkere Feuerwehr eingetauscht hat. Äußerst missgestimmt legt er sich bei strömenden Regen unter den Roten. Glücklicherweise stellt sich heraus, dass nur eine Druckluftleitung locker war. Nur kurz ist die Freude über die schnelle Lösung. Denn jetzt ist ein vorderer Radbremszylinder undicht. Wir verlieren Bremsflüssigkeit und müssen diese ständig nachfüllen. Ich glaube es nicht! Und noch bevor wir den Fährhafen Trapani erreichen, klappert der Auspuff vom zweiten Auto, dem Blauen, in dem Bernard und Tscharlie unterwegs sind, lustig vor sich hin.

In dem quirligen Hafenstädtchen Trapani gönnen wir uns zuerst ein gutes Abendessen in einer netten Trattoria und ziehen uns dann in unsere Autoschlafkojen zurück.  Wir haben unsere Pannenfahrzeuge direkt am Hafen geparkt, damit wir morgen früh unverzüglich aufs Schiff können. Doch leider fährt die klapprige italienische Fähre erst mit gut vier Stunden Verspätung ab. Inmitten tunesischer Gastarbeiter, unterwegs in ihre Heimat, sind wir endlich auf  dem Weg nach Afrika.

Gegen dreiundzwanzig Uhr erreicht die Fähre nach zehnstündiger Fahrt Tunis. Doch welch ein Schreck, als wir im Frachtraum die Autos besteigen wollen und feststellen, dass sich vorne bei unserem Roten  eine große Pfütze gebildet hat. Das ist unsere Bremsflüssigkeit! Es folgt eine Horrorfahrt: ohne Fußbremse vom Schiff, durch den Zoll, durch das nächtliche Tunis bis Mornag, ein Ort ungefähr zwanzig Kilometer außerhalb von Tunis . Hellmut schafft es, ausschließlich mit der Handbremse, den Roten vor jedem haltenden Fahrzeug, vor jedem Grenzbeamten und vor jeder roten Ampel zum stehen zu bringen.

Welch ein Aufatmen als wir endlich - weit nach Mitternacht - heil bei unseren tunesischen Freunden ankommen. Cecilia und Mustafa, die hier in Mornag in einer wunderschönen Villa residieren, sind unsere erste Anlaufstelle auf dem afrikanischen Kontinent. Mustafa steht uns natürlich auch dieses Mal mit Rat und Tat zur Seite. Zuerst laden wir die von den Beiden bestellten und aus Deutschland angelieferten Möbel aus, unser Roter eignet sich nämlich auch als Speditionsfahrzeug, danach bringt uns Mustafa zu einer großen Iveco-Werkstatt in der Nähe des Flughafens. Die Werkstatt ist spitzenmäßig ausgerüstet und genau auf Fahrzeuge wie die unsrigen spezialisiert. Nach drei Tagen ist alles perfekt repariert. Der Spaß kostet uns schlappe tausend Euro.

Insgesamt bleiben wir fünf Tage in Tunis. Es regnet auch hier die ganze Zeit in Strömen und ganz Tunesien mutiert zu einer großen Pfütze. Nach einem tollen Fischessen im Hafenviertel La Goulette rutscht Hellmut bei der Heimfahrt mit dem Roten vor dem Haus unserer Gastgeber auf dem durchnässten, unbefestigten Weg ein Stück den Hang hinunter. Dabei pflügt er fünf neugepflanzte Palmen um. Der Rote kann erst am nächsten Tag mit dem Traktor aus dem Acker gezogen werden. Wir sind froh, dass heute  Sigi aus München eingeflogen kommt und wir Richtung algerische Grenze aufbrechen können, bevor wir die Gastfreundschaft unserer tunesischen Freunde total überstrapazieren.

Über Kairouan sind wir bei strömendem Regen in Richtung Gafsa unterwegs. Rechts und links der Straße erstrecken sich Gemüsefelder, hübsch mit Feigenkaktushecken eingesäumt, abgelöst von Olivenhainen. Überall stehen Pfützen. Jede Senke ist zu einem kleinen See geworden. Vor uns in der Ferne erheben sich Berge. Nachdem wir auch Gafsa, das landwirtschaftliche Zentrum der Gegend, hinter uns gelassen haben, wird die Landschaft öde. Es gibt nur noch spärlichen Bewuchs. Wir stärken uns in dem kleinen Ort Metlaoui in einem Straßenrestaurant mit gegrilltem Rosmarinhuhn, Pommes und Salat. Lecker!

Nach Touzeur, dessen Campingplatz geschlossen hat, wird die Landschaft zur Wüste. Nur noch einzelne Grasbüschel durchsetzen den Sand. Die ersten Palmerien kommen in Sicht. Der Regen hört auf. Nach ungefähr sechshundert Kilometer Fahrt erreichen wir gegen Abend, bei Taleb Larbi, die algerische Grenze.

Die Einreiseformalitäten nach Algerien sind problemlos. In der offiziellen Geldwechselstube wird uns angeboten, die Hälfe des Geldes schwarz zu tauschen. Der Kurs ist günstig. Kurz nach der Grenze schlagen wir abseits der Teerstraße das erste richtige Wüstenlager auf. Nachts sinken die Temperaturen auf Null Grad.

Beim Frühstück bekommen wir Besuch. Neben unseren Zelten hält ein klappriger Pkw, dem drei  algerischer Händler entsteigen, die uns alles abkaufen möchten, was man im Leben halt so braucht, vom Kofferradio über Schuhe bis zu Klamotten. Das benötigen wir leider alles selber noch, unsere Reise fängt ja gerade erst an. Die Männer sind dann aber schon zufrieden, als wir noch einige algerische Dinar bei ihnen wechseln.

Auf der Teerstraße fahren wir weiter in südöstlicher Richtung. Es gibt kaum Verkehr, ab und an kommen uns Pferdefuhrwerke und Eselskarren entgegen. Die Wüstenlandschaft wird unterbrochen von kleinen Orten mit Märkten, Läden, Moscheen. Die Menschen, meist Berber mit markanten Gesichtern und  wachen Augen, vor der Kälte durch braune, grobwollene Kapuzenkutten geschützt, gehen ihren Geschäften nach. In Cherguia decken wir uns mit frischem Baguette und Erdnüssen ein. Wir machen unsere Tanks voll mit algerischem Billigdiesel, den Liter zu umgerechnet fünfzehn Cent.

Überall im Wüstensand sind Trichteroasen angelegt. So kann das Grundwasser die Palmen bewässern. Bei einem Halt finden wir wunderschöne Sandrosen, die auch von den Einheimischen neben der Straße auf Holzgestellen zum Verkauf angeboten werden.

Über die quirligen Städte El Qued, Touggourt und Hassi-Messaud erreichen wir das Gassi Tuil, einen vom Wind erschaffenen Dünendurchgang. Hohe Sanddünen türmen sich beidseitig der Straße. Die Teerstraße, neben der auch Ölpipelines verlaufen, ist in einem ziemlich schlechten Zustand. Es gibt hier in diesem wegen des Erdöls sicherheitssensiblen Gebiet viel Militär und immer wieder Straßenkontrollen. Einmal werden wir von einem Pkw angehalten und informiert, dass wir einen Kontrollpunkt überfahren hätten und zurück sollten. Wir hatten das Winken des Soldaten fälschlich als Durchwinken interpretiert. Wir kehren um und erhalten am Kontrollpunkt ein „Laissez-passé“ für dieses Gebiet.

Die Dünenlandschaft des Erg Oriental wird immer grandioser. Jenseits der Straße finden wir die schönsten Dünenplätze für unsere Nachtlager. Wir genießen die Wärme des Lagerfeuers. Abendliche Meditationen, bei denen die eigene Bedeutung auf die eines Sandkorns im All schrumpft, bewirken ein angenehm leichtes Gefühl der Nichtigkeit.

Auf der immer schlechter werdenden Straße begegnen uns jetzt häufig riesige Kenwood-Trucks, die Häuser quergeladen haben. Diese Fertighäuser werden von einem Ölcamp zum nächsten  verlegt. Wir müssen in den Sand ausweichen. Da passiert es. Tscharlie übersieht ein Loch und der Auspuff des Blauen ist ab. Wir brauchen mal wieder eine Autowerkstatt. Hassi Bel Guebor heißt der nächste Ort. Er besteht aus drei Häusern und einer nicht funktionierenden Tankstelle. Also weiter.

Erst am nächsten Tag, meinem Geburtstag, werden wir bei Ohanet an ein Camp der algerischen Erdgasgesellschaft verwiesen. Die Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft der Mitarbeiter des Camps beschämen uns. Im nu nehmen sich fünf Arbeiter des Auspuffs unseres Blauen an. Es wird gehämmert und gebohrt und geschweißt. Nach zwei Stunden harter Arbeit ist alles repariert und der Auspuff besser als neu. Es gelingt uns nicht, die Arbeiter für ihre Leistung zu entlohnen, mit Müh und Not lassen Sie sich aus Deutschland mitgebrachte Süßigkeiten aufdrängen. Da gerade Essenszeit ist, werden wir auch noch zu einem kostenlosen Mittagessen eingeladen. Wie staunen wir, als wir in den Container-Speisesaal geführt werden und dort weißgedeckte Tische und livrierte Kellner vorfinden. Das Essen ist gut, zu Gulasch mit Nudeln gibt es gemischten Salat, als Dessert frisches Obst. Man erzählt uns, dass von Ohanet aus eine tausendvierhundert Kilometer lange Pipeline, die in sechshundert Meter Tiefe durch das Mittelmeer verlegt ist, direkt nach Italien führt und von dort das Erdgas weiter bis nach Deutschland geleitet wird. Immerhin ist Algerien der drittgrößte Erdgasexporteur der Welt. Für die Weiterfahrt steckt man uns Orangen zu und winkend werden wir wie alte Freunde verabschiedet.

Nachmittags erreichen wir, nachdem wir noch einen gewaltigen Felsabbruch bewältigt haben, In Armenas. Wir fahren weiter bis zum Einbruch der Dunkelheit. Die Nächte sind immer noch kalt. Wir backen im Feuer Kartoffeln, würzen sie mit Olivenöl und Zitrone, trinken Rotwein und erzählen Geschichten. Manches humorvolle Erlebnis aus Kindheit und Jugend  findet so wieder seinen Weg in die Erinnerung.

Die Durchquerung des Erg Bourarhet, der aus wunderschön rötlich gefärbten Dünen besteht, wird durch Sandverwehungen, die Teile der Fahrbahn versperren, erschwert. Endlich erreichen wir den Torbogen, der die Einfahrt in das Städtchen Ilizi markiert. Berühmtheit erlangte Ilizi während der Geiselnahme von einundzwanzig Touristen, die von hier aus den Weg zur Gräberpiste nahmen, die ihnen zum Verhängnis wurde. Für uns bedeutet Ilizi: billigen Diesel tanken, leckeres Hühnchen zu Mittag essen, frisches Obst und Gemüse einkaufen und in der köstlichsten Patisserie des ganzen Maghreb knusprige Croissants und feinsten Käsekuchen erstehen.

Nach Ilizi beginnt das Plateau Fadnoun. Soweit das Auge reicht erstreckt sich bis auf sechszehnhundert Meter Höhe eine felsschottrige Mondlandschaft. Auch hier muss es vor nicht allzu langer Zeit geregnet haben, denn nicht nur, dass die Wüste lebt, sie blüht sogar. Überall zwängen sich hübsche rote Blümchen, von frischem Grün umrandet, durch das Geröll. Grünen Bändern gleich schlängeln sich die sonst völlig ausgetrockneten Wadis durch die Steinwüste. Grün ist die Farbe des Islam. Das versteht, wer erlebt, wie sich hier inmitten all der lebensfeindlichen Braun-, Gelb- und Schwarztöne das Auge am satten Grün ergötzt.

Schon ziemlich spät schlagen wir unser Nachtlager in einer vom Straßenbau aufgeschütteten Kiesgrube auf. Aus Sicherheitsgründen machen wir nur ein kleines Kerzchen an. Obwohl die Nacht überraschend mild und windstill war, berichten wir am nächsten Morgen übereinstimmend von bizarren Alpträumen, abgelöst von Phasen der Schlaflosigkeit, in denen uns Wahrnehmungen von flackernden Lichtern und undefinierbaren Geräuschen quälten. Auf dem morgendlichen Toilettengang entdecke ich, dass sich die Kiesgrube inmitten eines Gräberfeldes befindet. Wir haben zwischen den vorislamischen Rundgräbern übernachtet. Haben wir die hier Begrabenen in ihrer Totenruhe gestört?

Weiter geht’s nach Süden, Richtung Djanet . Die Landschaft steigert immer noch ihre Grandiosität. Neben uns erheben sich in ihrer monumentalen Gestalt die Berge des Tassili-Gebirges. Noch einmal führt die Straße steil in eine Ebene hinab, dann erreichen wir die südlichste Oase Algeriens, die Tuareg-Hochburg Djanet mit ihren großzügig angelegten Palmenhainen. Auf der Hauptstraße kommen uns die erschöpften Läufer eines viertägigen Marathon-Wüstenlaufs entgegen, auf der Zielgeraden angefeuert von den am Straßenrand postierten Zuschauern.

Wir frönen dem Luxus des Campingplatzes: warm duschen, Wäsche waschen, mit der Heimat telefonieren, Postkarten schreiben. Beim Kaffee, zu dem Bernard nun wirklich die allerfeinste Sahnetorte des ganzen Maghreb bei einem Konditor in Djanet aufgetrieben hat, leistet uns ein deutscher Radler Gesellschaft. Er hat die ganze Strecke ausschließlich mit seinem Fahrrad bewältigt und will jetzt weiter nach  Tamanrasset , die fünfhundertfünfzig Kilometer südwestlich von hier gelegene Wüstenstadt. Da kommt man sich in seiner PS-starken Feuerwehr doch wie ein richtiges Weichei vor.

Am nächsten Tag ist unsere Gruppe endlich komplett. Mit „Point Afrique“ über Paris in Djanet frisch eingeflogen, übernehmen Tina, Temo und Klaus den Blauen. Sigi, Tscharlie und Bernard steigen in den Roten um. Wir machen uns direkt vom Flughafen aus auf dem Weg zu einer Zweitagestour ins Tassili. Kaum haben wir die Teerstraße verlassen, stecken wir schon im Sand fest: zu viel Luft in den Reifen. Noch im schicken Reiseoutfit müssen die drei Neuankömmlinge ihren Blauen freischaufeln. Als Belohnung für die Schinderei gibt das Tassili einen grandiosen Panoramablick frei: aus dem Sand aufsteigende Felswände, bizarre Felsformationen, steinerne Torbögen. Gegen Abend kommt ein wirklich starker und kalter Sturm auf. Dick vermummt grillen wir die von Temo mitgebrachten, köstlichen Steaks.

Am nächsten Tag suchen wir in der phänomenalen Tassili-Landschaft mit Hilfe des GPS neben prähistorischen Felszeichnungen und vorislamischen Grabstätten die in den Felsen der Wadis versteckten „Gueltas“, natürliche kleine Seen und Wasserbecken. Und wir „üben“ den ganzen Tag, unsere immer wieder im feinen Sand feststeckenden Autos auszuschaufeln

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Der nächste Vormittag gehört der Vorbereitung für die Ausreise aus Algerien. Wir decken uns  am Markt in Djanet mit frischem Obst und Gemüse ein, tanken unsere Autos voll, suchen für die benötigten Stempel Zoll und Polizei auf. Endlich ist es soweit. Am Flughafen vorbei geht es in die unendlichen Weiten der nördlichen Ténéré Richtung Niger. Schon bald sind wir von der durch Stöckchen gekennzeichneten Piste abgekommen. Da wir zu weit östlich fahren, hatten wir auch den kleinen algerischen Grenzposten nicht passiert. Das Nachtlager schlagen wir, sichtgeschützt durch eine hügelige Dünenverwehung, bereits im Niger auf. Den ganzen Tag waren wir keinem einzigen Fahrzeug begegnet.

Dies sollte sich am nächsten Tag, wir sind wieder auf die Piste gestoßen, ändern. In der Ferne tauchen drei, vier Geländefahrzeuge auf. Beim Näherkommen machen wir etliche Leute aus, die um die Autos herumstehen. Was ist da los? Sind das Banditen? Da sehen wir, dass sich unter den Einheimischen auch Weiße befinden. Sind vielleicht gerade Banditen dabei, eine Gruppe Touristen zu überfallen? Die Gegend hier gilt als unsicher. Hellmut hat die Idee, dass unsere beiden Fahrzeuge ausscheren und wir von links und rechts die Gruppe in die Zange nehmen. Gesagt – getan. Als wir links und rechts von der Gruppe anhalten, sehen wir in   angespannt-ängstliche Gesichter. Sehen unsere Gesichter genauso aus? Die Anspannung löst sich aber schnell im allgemeinen Gelächter, als klar wird, dass es sich auf beiden Seiten nur um harmlose Touristengruppen handelt. Eine amerikanische Reisegruppe, von Tuareg geführt und von nigrischem Militär begleitet, ist auf dem Weg nach Algerien. Die nigrischen Soldaten verstecken ihre Gewehre schamhaft hinter ihrem Rücken. Hatten sie die Gewehre gerade noch auf uns gerichtet? Die Amerikaner erzählen, dass am Grenzposten algerisches Militär wartet, um sie zu übernehmen. The american way of travelling!

Die Nacht verbringen wir auf der zugigen Hamada-Platte: im Winkel von dreihundertsechzig Grad und soweit das Auge reicht nur graues Geröll. Da helfen nur noch Dosen-Rouladen mit Knödeln und Blaukraut.

Am nächsten Tag nähern wir uns der ersten Siedlung jenseits der nigrischen Grenze. Die Hütten der Oase Chirfa erheben sich zwischen Palmen aus dem Sand. Nachdem wir unsere Pässe beim vorgelagerten Militärposten abgegeben haben, werden wir von den Menschen in Chirfa, die dem Stamm der Tibu oder Tubu angehören, freudig begrüßt. Sofort improvisieren die Frauen des Ortes einen kleinen Verkaufsmarkt, auf dem sie uns Messer, Schalen, Bastgefäße und vieles mehr anbieten. Und da kommt auch schon Hassan gelaufen! Das Hallo ist groß. Hassan hatte uns bereits im letzten Jahr durch den Niger begleitet und sich als äußerst ortskundiger und zuverlässiger Führer erwiesen. Auch dieses Jahr wird er mit dabei sein. Bei einer Schüssel Reis mit Sauce besprechen wir in seiner Hütte die letzten Details der bevorstehenden Reise. In Chirfa können wir voll tanken – per Handpumpe aus Fässern - und auch unsere Wasserbehälter nachfüllen – per an einem Seil befestigten Plastikeimer aus dem Brunnen. Wir werden mit Obst, Salat und frisch gebackenem Brot versorgt. Für das Dorf haben wir Geschenke in Form von Kleidung, Lebensmitteln und Brillen dabei. Temo, unser Arzt, versorgt die Bewohner mit Medikamenten und Gesundheitsratschlägen. Dann brechen wir in Richtung Djado auf.

Inmitten von Palmerien liegt diese verlassene und halbzerfallene Festungsstadt. Hoch ragen die imposanten Ruinen in den Himmel. Hier ist Moskitoland. Die Plagegeister finden in den sumpfigen Böden, gespeist aus unterirdischen Quellen, beste Lebensbedingungen. Nach der Besichtigung geht es weiter in die nächste Ruinenburg, dem alten Ksar von Djaba. Wir klettern begeistert  in den Ruinen herum. Die Landschaft des Djado-Plateaus gleicht einer Traumkulisse. Überall erheben sich aus dem Sand steile Felsnadeln neben wuchtigen Felsklötzen und kolossalen Felstoren. Wir besichtigen in der Nähe gelegene Salinen, die ehemals der Salzgewinnung dienten und bestaunen die kunstvoll geformten Salzformen, aus denen sogar Hütten gebaut wurden. Hassan datiert die letzten Regenfälle ungefähr dreißig Jahre zurück. Da kann man Häuser auch aus Salz bauen! Dann bekommen wir von Hassan noch ein paar an einem großen Felsen angebrachte Malereien aus der Jungsteinzeit vorgeführt, bevor er uns endlich an einen unglaublich malerischen Lagerplatz bringt.

Und was war heute sonst noch alles? Den ganzen Tag steckten wir häufig und mussten viel schaufeln. Ach ja, und der Blaue war uns bei Djado davon gefahren, hatte unser Fehlen erst nach längerer Zeit bemerkt, um uns dann nach einer Stunde, die wir wartend im Sand verbrachten, wieder zu finden. Gleich darauf legte er mit versehentlich angezogener Handbremse ein größeres Wegstück zurück. Schwarz aufsteigende Rauchschwaden machten auf das Missgeschick aufmerksam. Kein Wunder, dass wir heute den Abend mit einem kräftigen Schluck Rotwein beenden. 

Wir verlassen das Djado-Gebiet. Die Jungs des  Militärpostens bekommen von Temo eine Behandlung gegen Rücken- und Kopfschmerzen  und eine Flasche Jägermeister. Sie sind glücklich! Und wir bekommen ganz schnell unsere Pässe zurück. Die Frage nach Zeitschriften, so mit gewissen Fotos, müssen wir leider verneinen. Sie sind dann aber auch mit der neuen Ausgabe des „Stern“ und den darin abgebildeten Reklamemädels zufrieden.

Auf unserer weiteren Fahrt wollen wir den Erg der Ténéré durchqueren, das heißt von Chirfa aus südöstlich zur Oase Seguedine, dann in den Süden, bis Bilma, dann südwestlich über Fachi zum Arbre du Ténéré. „Ténéré“ ist übrigens ein Wort aus der Tuareg-Sprache, dem Tamaschek, und bedeutet soviel wie Traurigkeit und Einsamkeit.

Das erste Lager nach Chirfa beziehen wir auf einem felsigen Hügel mit wunderschönem Blick hinunter in die Ebene. Beim Frühstück bekommen wir Besuch. Mit Karacho fährt ein vollbesetzter Pick-up unseren Felshügel herauf. Man weiß immer nicht so genau, wer da auf einen zukommt: Militär? Banditen? Auch Hassan wirkt etwas angespannt. Doch groß ist das Hallo, als Hassan seine Stammesbrüder erkennt. Diese sind auf den Weg nach Bilma . Dort hätte die Unesco ein Treffen organisiert, bei dem es um Gelder und Hilfsleistungen für die Tubu ginge. Da wir zu der Zeit in Bilma sein werden, sagt auch Hassan sein Kommen zu.

Bei den Kontrollpunkten hatten wir schon bemerkt, dass sich Hassan, der Wüstennomade und Tubu, und die Militärs, aus dem schwarzen Süden stammend,  mit gegenseitiger Verachtung strafen. Tuareg und Tubu, deren Stämme über die Länder Libyen, Mali, Algerien und Niger verstreut sind, erkennen die willkürlich gezogenen Grenzen zwischen diesen Ländern ebenso wenig an wie die Regierungen dieser Zentralstaaten. Sie wollen die Herrschaft über die Sahara, ihrer angestammten Heimat, selbst ausüben. So begruben die beiden großen saharischen Nomadenvölker, Tuareg und Tubu, ihre traditionelle Feindschaft, um sich Anfang der neunziger Jahre zu verbünden und gemeinsam die  Zentralregierung des Niger zu bekämpfen. Stets galten die Tubu als der kriegerischste Stamm der Sahara. Hier tragen sogar die Frauen ständig ein am Oberarm festgebundenes Messer bei sich. Die Geschichten über die Ausdauer und den Mut der Tubu sind legendär. Auch Hassan erzählt mit Stolz von seiner Zeit als Freiheitskämpfer in den neunziger Jahren und zeigt uns die Plätze, wo er sich mit seinen Rebellen versteckt hatte. Leider haben die Tubu seinerzeit auch Gebiete des Djado-Plateaus vermint, obwohl es dort im Enneri-Blaka-Tal die berühmtesten Felszeichnungen des Nigers gibt. Hassan versichert uns zwar, er wisse genau, wo keine Minen liegen und könne uns sicher führen. Doch wir nehmen von einem Ausflug ins Enneri-Blaka Abstand. Erst vor einigen Wochen flog dort ein Geländewagen mit italienischen Touristen in die Luft, nachdem er auf eine Mine aufgefahren war. Alle Insassen starben. So fordert dieser Konflikt, obwohl 1995 beigelegt, immer noch seine Opfer.

Wir erreichen die kleine Oase Seguedine. Hassan fragt, ob sein Onkel von hier bis nach Bilma mitfahren dürfe. Warum nicht? Wir haben Platz. Bei der militärischen Kontrollstelle, an allen Oasen werden die Ein- und Ausfahrten kontrolliert, spricht uns ein Tubu an. Er hätte die GPS-Punkte für die Fahrt vom Arbre du Ténéré direkt nach Süden zum Dinosaurierfriedhof von Gadoufawa. Wir schreiben die Daten, die wir gegen eine schicke Sonnenbrille tauschen, von einem verknüllten Blatt Papier ab.

Heute war zur Abwechslung mal der Rote mit angezogener Handbremse unterwegs bis die Reifen qualmten. Und gleich darauf übersieht der Fahrer bei einer rasanten Dünenabfahrt Felsen im Sand und hoppla! Wir fliegen durch die Luft! Auf drei mal hebt das Gefährt ab, hopp – hopp – hopp – um jeweils wieder heftig aufzukrachen. Wir kommen zu stehen und Hellmut besieht sich den Schaden: der Stoßdämpfer ist ab, die Ölwanne hat eine Delle. Oh happy day! Ohne Stoßdämpfer setzen wir die Fahrt nach Dirkou fort. Der aufziehende Harmattan macht sich immer stärker bemerkbar. Die Luft ist nicht mehr klar sondern bräunlich, von Sand erfüllt. Das Licht wird diffus. Die Fahrt durch die Dünen wird immer schwieriger, weil sich Konturen kaum noch abheben. Wir begegnen den ersten Schmuggel-Lkws, hochbeladen mit Gütern und Menschen. Sie winken freundlich. In welche Zukunft mögen sie unterwegs sein?

Am nächsten Morgen kündigt sich ein Sandsturm an. Bei der Einfahrt zur Oase Dirkou, dem Knotenpunkt des saharischen Schmuggelverkehrs, parken hinter Stacheldrahtverhau einige der überladenen Transporter. Die Mitfahrenden klettern von ihren Hochsitzen auf der Ladung, setzen sich in den Sand. Es weht ein starker Wind. In dem trüben, sandigen Licht wirkt die Szene unwirklich. Wir fahren nach Dirkou hinein, zur Polizeistation, um auch hier unsere Pässe abstempeln zu lassen. Es ist viel los in Dirkou. Endlich können wir am Markt unsere Euro in CFA-Francs umwechseln, bisher waren wir im Niger praktisch bargeldlos unterwegs. Und wir suchen nach einem Stoßdämpfer. Ich vermute, dass man in Dirkou alles, aber wirklich alles, kaufen kann. Der Ort wirkt irgendwie beklemmend. Er atmet Chaos und Gewalt. Wir sind froh, als wir die Oase hinter uns lassen. Einen passenden, gebrauchten Stoßdämpfer haben wir natürlich bekommen.

Weiter weist Hassan den Weg durch die Dünen. Wir erreichen Bilma. Im Gegensatz zu Dirkou  wirkt Bilma verschlafen und freundlich. Wir schlagen unser Lager außerhalb des Ortes am Fuße einer Sicheldüne auf. Nachts tobt der Sandsturm so stark, dass am Morgen die Reißverschlüsse der Zelte kaputt sind. Sie lassen sich wegen des feinen Sandes, der sich darin festgesetzt hat, nicht mehr schließen. Der Polizeipräfekt von Bilma lädt uns ein, die nächste Nacht geschützt innerhalb der Mauern im Hof der Präfektur zu verbringen. Gerne nehmen wir dieses großzügige Angebot an. Er berichtet, dass holländische Touristen außerhalb von Dirkou überfallen wurden. Die Täter wurden gefasst. Wir nutzen den Tag in Bilma, die gepflegten Gärten, Brunnen und Wasserbassins der Oase zu besuchen. Es ist wirklich erstaunlich, wie viel Wasser es hier gibt und wie grün und hübsch die Gärten angelegt sind.

Als wir wieder in die Weiten der Ténéré aufbrechen, kommen wir außerhalb von Bilma am Lagerplatz einer Tuareg-Karawane vorbei. Die Kamele werden gerade mit Salzkuchen beladen, die aus der Saline von Bilma stammen. Wir schenken den Tuareg Zucker und Kleidungsstücke, worauf sie gerne bereit sind, für unsere Fotos zu posieren.
 

Nach einem harten Fahrtag durch eine phantastische Dünenlandschaft beglückt uns Temo mit einem besonderen Schmankerl: er hat noch eingeschweißte Lammkoteletts aus Deutschland dabei, die heute den Weg auf den Grill finden. Dazu gibt es Kartoffeln, grüne Bohnen und Rotwein, richtig aus der Glasflasche, nicht den Landrotwein im Tetrapack, mit dem wir uns normalerweise unsere Abende am Lagerfeuer verschönern. Temos Wok, in dem er sonst seine köstlichen Gourmet-Gerichte zubereitet, bleibt heute kalt.

Am nächsten Tag erreichen wir die Oase Fachi. Am Ortsrand lagert nur eine einzige Karawane. Jetzt Ende Januar, mit dem Beginn der Harmattanwinde, geht die Karawanensaison ihrem Ende zu. Nach einem kurzen Austausch von Höflichkeiten setzen wir unseren Weg fort. Als wir uns dem Arbre du Ténéré nähern, wird der Sand immer häufiger von Büschelgras durchsetzt, auf dem Kamele weiden. Der Arbre du Ténéré ist nur noch ein dem ehemaligen Baum nachempfundenes Eisengerüst. Die Überreste des Originalbaumes, der vor einigen Jahren von einem Lkw-Fahrer niedergefahren wurde, stehen im Nationalmuseum des Nigers in Niamey.

Hassan freut sich. Am Brunnen des Arbre tränken Tubu ihre Herden. Der Anführer ist ein Cousin von Hassan. Man tauscht Neuigkeiten und Nachrichten aus. Ab hier wird die Fahrt noch einmal richtig spannend. Die eingetauschten GPS-Daten kommen zum Einsatz. Anstatt nach Westen Richtung Agadez weiter dem Weg der Karawanen zu folgen, schlagen wir einen strikten Südkurs ein, zu den westlichen Ausläufern des Großen Erg von Bilma.

Zuerst folgen wir einer holprigen Piste, kommen an Gräberfeldern vorbei, durchfahren wunderschön wilde Sand-Fels-Landschaften bis wir an einem großen Felsen den Lagerplatz aufschlagen. Hier finden wir durch Depression zu Sumpfeisenerz umgewandelte Pflanzenstängel, die immer noch an ihrem einstigen Wuchsort stehen. Sie verweisen neben im Sand gefundenen Muschelschill und Fischgrätenstreu auf die einstigen Süßwasserseen-Phasen der Sahara, von denen es mindestens drei gab: um 120 000, um 33 000 und zwischen 11 000 und 7 000 Jahren vor heute.

Der nächste Tag bringt eine sehr mühselige Fahrt durch die sogenannte „Seebodenténéré“. Die Ebene ist von harten Querriffeln durchzogen. Damit unsere Autos keinen Schaden nehmen, holpern wir langsam über Riffel für Riffel. Nur eine dünne Sandschicht bedeckt die Sedimente ehemaliger Seealgen. Die Ausdehnungen weisen darauf hin, dass hier im erdgeschichtlichen Holozän einige zehntausend Quadratkilometer von einem flachen See bedeckt waren. Schon lange gibt es keine Pisten mehr, wir fahren nur noch nach den GPS-Daten auf meinem Zettel, die mir der freundliche Tubu in Seguedine mit auf den Weg gab.

Dann türmt sich vor uns ein Gürtel aus Sichel- und sogenannten Transversaldünen auf. Es wäre sicher klüger gewesen, den Dünengürtel zu umfahren. Nur solche Tipps sind von GPS-Daten halt nicht zu erwarten. So kämpfen wir uns Düne für Düne vorwärts. Besser gesagt, wir schaufeln uns Düne für Düne vorwärts, denn wir bleiben bei jeder Düne mindestens einmal stecken. Immer wieder trägt der sonst feste Sand nicht mehr und die Räder sinken tief in ein Weichsandloch und wühlen sich fest. Sandbleche vom Autodach holen, unterlegen, Sand wegschaufeln, mit erstem Gang auf das Sandblech fahren und versuchen, mit zweitem Gang wieder festen Boden zu gewinnen. Immer wieder. Und immer wieder. Weiterfahren – stecken bleiben – weiterfahren - Steckenbleiben. Und wohin wir auch schauen, überall wölben sich um uns die Dünenberge auf. Langsam wird aus der Genervtheit Verzweiflung. Hassan und Hellmut laufen zu Fuß voraus, testen, wo der Sand trägt und suchen einen Durchschlupf durch diesen mörderischen Dünengürtel. Es dauert Stunden bis endlich hinter einer Düne nicht die nächste, noch höhere Düne auftaucht, sondern endlich die Dünenberge abflachen und den Blick in die Ebene freigeben. Abends werden wir durch einen unbeschreiblich schönen blau-violett-rosa-rot-orange-farbenen Sonnenuntergang am Rande einer Sicheldüne für die Schuftereien des Tages belohnt. 

Bei uns stellen sich Zipperlein ein. Einer leidet unter Kopfschmerzen, den anderen plagt ein Hexenschuss, der Dritte hat Durchfall und den Nächsten quält eine Sonnenallergie. Doch schnell ist alles vergessen, als wir am nächsten Tag endlich den ersehnten Dinosaurier-Friedhof von Gadoufawa erreichen. Dank GPS halten wir auf den Punkt genau vor im Sand bläulich-weiß schimmernden fossilen Knochenresten aus der Kreidezeit. Man kann die einzelnen Wirbel noch erkennen, genauso wie das sich darin bräunlich abzeichnende Knochenmark. Wir rätseln, welche Funktionen die einzelnen Knochenstücke, Pfannen und Gebeine, die hier überall im Sand verstreut liegen, wohl ehemals hatten. Hassan findet versteinerte Hornzähne, vielleicht aus dem Halskamm einer Drachenechse stammend, die hier vor Jahrmillionen in den Sümpfen des Urtschadsees ihren Lebensraum hatte. Der Dinofriedhof ist über eine riesige Sandebene verstreut. Weit und breit kein Hauch von Leben. Nur das Pfeifen des Harmattan. Wir könnten auch auf dem Mars gelandet sein. Beim Berühren lösen sich einzelne der fossilen Knochenstücke in Staub auf. Gestorben vor sechzig Millionen Jahren, zu Stein geworden, jetzt im Wüstenwind verweht. Ein Gruß aus der Unendlichkeit. Nachdenklichkeit macht sich breit.

Wir ändern unseren Kurs und bewegen uns nach Westen. Vereinzelt stoßen wir auf erste Buschgruppen und verkrüppelte Akazien. Kurz hintereinander stöbern wir zweimal kleine Gruppen von den so selten gewordenen Gazellen auf, die sofort verschreckt die Flucht ergreifen. Und zwischen ein paar Büscheln Steppengras jagt plötzlich ein Wüstenfuchs hervor. Kein Tag hier in der Wüste ist wie der andere. Erlebnisse und Begegnungen, die sich am vorangegangenen Tag noch nicht einmal erahnen ließen, stellen uns vor immer neue Herausforderungen.

Zum erste Mal seit Tagen begegnen wir wieder Menschen. Von einer in Zelten  lebenden Tuaregfamilie werden wir freundlich begrüßt. Am Brunnen Bir Mio tränken zwei Tuareg ihre Kamele. Einer von ihnen fährt bei uns im Auto mit. Wir suchen seinen Clan, der in der Nähe mit Ziegen und Schafen unterwegs ist. Von dort werden wir zu einer einst von den Franzosen befestigten Straße geleitet, die nach Norden führt. Immer häufiger treffen wir auf  Zeltgruppen, Kamel- und Ziegenherden und einzelne Tuaregreiter.

Kurz bevor wir das staubige und heiße Agadez erreichen, schwenken wir auf die Teerstraße ein. Wir folgen ihr bis zur Polizeistation, um unsere Ankunft zu melden. Rex darf nicht mit in das große Gebäude. In einer Eingangshalle müssen wir erst einmal Zettel ausfüllen und warten. Endlich werden wir in ein sehr kleines, fensterloses Kabuff geführt, vollgestopft mit schäbigen Regalen und Schränken, aus denen vergilbtes Papier quillt. Gelangweilt sitzt ein Schwarzer in Uniform hinter einem großen, mit Papieren übersäten Schreibtisch. Zwei weitere Männer in Zivil lümmeln auf Stühlen vor dem Schreibtisch. Uns acht lässt man an der Wand Aufstellung nehmen. Es riecht nicht gut in diesem versifften Büro. Der Uniformierte schiebt irgendwelche Papiere hin und her, die Zivilen schauen uns von Zeit zu Zeit gelangweilt an. Wir müssen wieder warten. Die Machtverhältnisse werden hier von Anfang an geklärt. Der Uniformierte hinter dem Schreibtisch verlangt unsere Pässe. Mit einer lässigen Geste öffnet er seine Schreibtischschublade und lässt darin unsere Pässe verschwinden. Schublade zu, Pässe weg. Aha. Der Mann in Zivil, der vor dem Schreibtisch lümmelt, trommelt mit den Fingern auf den Tisch. Woher wir denn kämen, fragt der Uniformierte. Wo wir eingereist wären? Wir wären also über Chirfa in den Niger eingereist? Das sei illegal. Einer nach dem anderen werden wir eingehend gemustert. Der Blick soll uns wohl einschüchtern. Die Augen wirken brutal und durchtrieben. Die Atmosphäre in dem engen Raum ist angespannt. Ich fühle Wut in mir aufsteigen. Tief durchatmen, ruhig bleiben. Auf unsere Erwiderung, wir hätten alle nötigen Einreisestempel an den passierten Militärposten erhalten, folgt durch den Uniformierten eine Belehrung in Form eines langen Monologs. Wir hätten illegal gehandelt, wir hätten uns in Gefahr gebracht. Irgendwie wirkt der Uniformierte wie weggetreten. Alkohol? Drogen? Die beiden Männer in Zivil beteiligen sich nicht an der Unterhaltung. Sie beobachten nur. Geheimdienst? Bestimmt. Eine junge Schwarze kommt herein. Sie ist sehr hübsch und offenherzig gekleidet. Die Blicke, die sie mit den Beamten wechselt, deuten darauf hin, dass sie hier nicht nur das Diktat aufnimmt. Die Drei genießen es, uns ihre Überlegenheit spüren zu lassen. Wir stehen an der Wand und lassen die Rügen über uns ergehen. Während seines Monologs öffnet der Uniformierte immer mal wieder die Schreibtischschublade, um uns einen Blick auf die außerhalb unserer Reichweite gebrachten Pässe werfen zu lassen. Nur um gleich darauf die Schublade mit einem genüsslichen Knall wieder zu schließen. Ja, ja, wir haben schon kapiert, dass wir die Pässe nur wieder kriegen, wenn, ja, wenn was? Na klar, eine Gebühr hätten wir zu entrichten! Hellmut verlangt die Ausstellung einer Quittung. Da dämmert es dem Beamten plötzlich, dass wir schon im letzten Jahr hier waren und es da auch schon Stunk wegen der Quittung gegeben hatte. Wir signalisieren, diesmal könnten wir auf eine Quittung verzichten. Wie auf ein Zeichen stehen plötzlich die beiden Zivilen auf und verlassen den Raum. Wir sind wohl ausreichend weichgekocht und wahrscheinlich wollen sie nicht Zeuge der Geldübergabe sein. Wenigstens hält sich die Forderung im Rahmen: gegen fünfundzwanzig Euro bekommen wir nach dieser qualvollen Stunde die abgestempelten Pässe zurück. Tief atmen wir durch, als wir das Kabuff verlassen. Wir sind acht europäische Touristen. Außer ein bisschen Schikane hätten sie uns nicht wirklich etwas anhaben können. Nur, wie mag es einem Einheimischen ergehen, der in ihre Fänge gerät?

Im Hotel Telwa gönnen wir uns jetzt erst mal eine heiße Dusche – die erste nach gut zwei Wochen Fahrt, ein Schläfchen in weißen Linnen und danach ein Kuskusessen im Restaurant. Göttlich! Der nächste Tag im Hotel bringt Verhandlungen mit potentiellen Autokäufern. Der Blaue soll seinen Besitzer wechseln. Auch für den Roten bekommen wir ein Angebot, von einem ewig langen und dünnen Lulatsch, halb Targi, halb Haussa, der angeblich einen potenten Autokäufer vertritt. Obwohl uns der „bayerische Targi“ Achmed, er ist in Agadez ansässig und spricht wirklich gut bayrisch, vorwarnt, es wäre im Moment für große Autokäufe kein Geld in Agadez vorhanden, verfallen wir in eine Verkaufseuphorie und schmieden Pläne, wie wir ohne Autos wieder nach Hause kommen. Der lange Lulatsch, in den Vierzigern mit sehr markanten Gesichtszügen, schleppt uns auf den Markt und meint, der Autokauf würde aus Sicherheitsgründen erst an der algerischen Grenze vonstatten gehen. Es wäre aber unbedingt nötig, einige Kleidungsstücke hier auf dem Markt zu kaufen, als Geschenk für den algerischen Zöllner. Natürlich kaufte ich die weiten Gewänder  und natürlich ging später an der algerischen Grenze überhaupt nichts vonstatten. Die teuren, indigoblauen Tuareggewänder trage ich jetzt bevorzugt auf Faschingsbällen in München. Wie hoch wohl die Provision an den Kleiderständen für den langen Lulatsch ausfiel? Es sei ihm gegönnt, clever war er ja – im Gegensatz zu uns.

Wir gönnen uns noch einen schönen Abend bei einem guten Kuskus auf dem Flachdach des Hotel de l’Air, das in dem ehemaligen Kaocen-Palast untergebracht ist.  Gegenüber liegt die alte Lehmmoschee aus dem fünfzehnten Jahrhundert mit ihrem stöckchendurchbohrten Minarett. Der Vollmond leuchtet hell und Agadez wirkt jetzt sehr romantisch.

Vor unserem Aufbruch am nächsten Tag warten auf der staubigen Straße vor dem Hotel einige Kinder, darunter auch ein vielleicht dreijähriger Bub, nur mit einem kurzen Hemdchen bekleidet und rotzverschmiert. Ich kann nicht wiederstehen und schenke ihm ein frischgeschmiertes Käsebrot. Die anderen Kinder stehen mit großen Augen um ihn herum. Darauf bricht der Knirps von dem Brot jeweils kleine Stückchen ab, die er an die anderen Kinder verteilt. Sie schieben es in den Mund und kauen andächtig darauf herum. Für sich selbst behält der Kleine nur einen winzigen Rest.

Der Piste nach Norden folgend kommen wir am nächsten Tag an den Grenzübergang bei Assamaka . Temo kann mit einigen Geschenken aus seinem Medikamentenkoffer die Ausreise beschleunigen. Nach weiteren zehn Kilometern erreichen wir das in den Sand gebaute Gebäude des algerischen Grenzpostens. Die Überraschung ist groß als sich herausstellt, dass das Algerien-Visum von Sigi bereits abgelaufen ist. Die Grenzbeamten sind freundlich und hilfsbereit, stellen ein Kurzvisum aus und akzeptieren als Foto sogar ein schnell mit der Sofortbildkamera aufgenommenes Bild. Das Ganze dauert zwar etwas, aber immerhin können wir noch vor dem Abend in Algerien einreisen.

Irgendwann auf dem Weg nach Tamanrasset wird die Piste zur Teerstraße. Die Nacht verbringen wir in einem Wadi und trauen unseren Ohren nicht, als wir nachts von Regentropfen, die auf unser Zelt prasseln, geweckt werden. Wie war das mit den Menschen, die immer in den Wadis ertrinke¥, weil der Regen die sonst völlig ausgetrockneten Wasserläufe plötzlich in reißende Flüsse verwandelt? Der Regen hört nach kurzer Zeit wieder auf. Doch den Rest der Nacht schlafen wir nicht mehr sehr fest.

Kaum in Tamanrasset angekommen, heißt es Abschied nehmen. Fünf unserer Freunde nehmen von hier das Flugzeug nach Paris: Tina, Temo, Klaus und Bernard. Tscharlie, Hellmut und ich fahren die leider nicht verkauften Autos zurück nach Deutschland. Rex ist drei Tage lang verstört, weil ihm die anderen fehlen. Der Teerstraße entlang geht es nach Norden. Wir durchqueren das Mouydir-Gebirge. In der monumentalen Arag Felsschlucht müssen wir abends ganz schnell in die Autos flüchten, so stark ist der einsetzende Sandsturm, der auch noch von Regenfällen begleitete wird. Ganze Straßenabschnitte sind in der Arak-Schlucht weggespült. Man weicht auf Pisten aus. 

In In Salah werden wir von Hadschi, auf dessen Campingplatz wir übernachten, freudig und wie alte Freunde begrüßt. Er erledigt für uns einige Einkäufe und lädt uns in sein Restaurant Carrefour zum Abendessen ein. Irgendwann später haben wir erfahren, dass ihn mit München zarte Bande verbinden. Vielleicht rührt daher seine besonders großherzige Gastfreundschaft uns gegenüber. Wir hoffen sehr, dass er sich bei einem seiner Besuche in München melden wird und wir die Gelegenheit bekommen, uns für seine Gastfreundschaft zu revanchieren.

Nachts wird es jetzt wieder sehr kalt. Das Wasser friert in den Eimern. Über El Golea, hier müssen wir die Polizeistation aufsuchen, Gadeia, hier tanken wir und kaufen frisches Obst und Gemüse und Quargla, hier in der großen, modernen Oasenstadt gibt es sogar Tütenmilch, kommen wir nach Touggourt. Unterwegs haben wir immer schöne Lagerplätze, meist versteckt zwischen Dünen, gefunden. Über El Qued geht es zum Grenzort Taleb Larbi. Und schon sind wir wieder in Tunesien. Leider hat der Campingplatz bei Touzeur immer noch geschlossen. Wir übernachten außerhalb in einem Palmenhain. Es gibt dort eine heiße Quelle, die in gefasste Becken sprudelt. So kommen wir in den Genuss eines wunderbaren Bades. Nach Gafra werden das Klima und die Landschaft langsam wieder mediterran. Olivenbaumpflanzungen lösen Palmenhaine ab. Straßenrestaurants machen mit aufgehängten, noch blutbefleckten Schafsfellen auf das frische Grillfleisch, das es zu Mittag gibt, aufmerksam.

Zurück in Tunis verbringen wir die Zeit bis zur Abfahrt unserer Fähre nach Trapani  mit einem Bummel durch die Medina und ich decke mich unter den Protesten von Hellmut mit einem guten Dutzend der hübschen, bunten Schüsseln ein, die überall zum Verkauf angeboten werden. Wir besuchen das phantastische Museum du Bardo, mit seinen Exponaten aus den Zeiten der Nubier über die römische Epoche bis zum späten osmanischen Reich, eines der bedeutendsten Museen Afrikas. Dann nahen der Abend und damit der Abschied von Afrika. Noch eine kleine Aufregung, als uns am Hafen mitgeteilt wird, dass die Fähre ausgebucht wäre und für uns keine Reservierung  vorläge. Wir können uns nur in eine Warteliste eintragen. Eine halbe Stunde vor Abfahrt des Schiffs verlässt ein Mitarbeiter der Schifffahrtslinie das Büro und wird sofort von einer großen Menschenmenge umringt. Unter den vielen Tunesiern befinden sich nur einige wenige ausländische Touristen. Alle möchten mit auf das Schiff. Auch wir drängeln im Pulk. Nummer für Nummer werden die Namen auf der Liste aufgerufen und die noch freien Plätze vergeben. Endlich wird auch unser Name aufgerufen. Wir sind mit dabei auf dem Weg  nach Europa. 


©: Angelika Gutsche München, 2004

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LIBYEN

2004
LIBYEN

2003
SAHARA


2002
DOGON
(Mali)

2001
SAHARA 

2001
SAHARA

2000
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