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Tour 1:
SÜDLICHER ASPROMONTE
 
wilde Bergwelt

Ganz im Süden, nach Reggio di Calabria, enttäuscht zunächst die landschaftlich unattraktive Südküste Kalabriens. Es gibt hier keine Strände, die Brandung donnert gegen große, an der Küste aufgehäufte Steine. Im Hinterland erstreckt sich ödes Agrar- und Brachland, dazwischen wenige, unansehnliche, verrottende Industrieanlagen. Dann endlich rückt der Aspromonte näher an die Küste heran, die ersten Felsformationen türmen sich auf, ein breiter Geröllstrom ergießt sich ins Meer. In der Ortschaft Bova di Marina zweigt ein kleines Sträßchen nach Bova ab. Langsam folgen wir den Serpentinen hinauf in die Bergwelt. Endlich erreichen wir Bova, wo der Nationalpark Aspromonte beginnt. Jetzt am frühen Nachmittag liegt das Dorf wie ausgestorben an den Berg geschmiegt. Bova ist einer der letzten Sprenkel des alten magna graecia, die sich hier im Aspromonte erhalten haben. Es wird berichtet, dass seine Bewohner noch in den Zwanziger  Jahren Altgriechisch gesprochen hätten. Ein Überbleibsel davon ist ein verrostetes, kaum lesbares Ortsschild in griechischer Schrift. Fragt man hier nach einem kafenion oder nach einer bar , wenn man einen espresso trinken möchte? Egal, jetzt am frühen Nachmittag hat sowieso alles geschlossen, und so folgen wir weiter der Straße hinauf zum verfallenen Normannenkastell und genießen von dort den Blick in die karstig-schroffe Bergwelt.

Nach dem Ort schlängelt sich die Straße in engen Kurven weiter bergauf. Einzig ein Polizeifahrzeug begegnet uns in dieser verlassenen Gegend. Große Schilder am Straßenrand geben die Notrufnummer der Polizei, 112, bekannt. Das wirkt jetzt nicht so beruhigend, wenn man auf der Fahrt ins Innere des verrufenen Aspromonte ist. Sofort fällt uns die Zeitungsnotiz ein, in der berichtet wurde, wie Mafiosi, die in einem Dorf des Aspromonte von Carabinieri hochgenommen werden sollten, entkommen konnten, weil das ganze Dorf mit Fluchttunnels, die in die Berge führten, durchzogen war. Und dann erinnern wir uns plötzlich an Pressemeldungen, in denen es um Entführungsopfer ging, die entweder bis zur Lösegeldzahlung oder bis zu ihrem Tod von der `ndrangheta in der Bergwelt des Aspromonte versteckt wurden. Doch als Kidnapping-Opfer eigneten wir uns bestimmt nicht, also dann: Andiamo!

Unser nächstes Ziel ist das aufgelassene Geisterdorf Roghudi. Dort soll sich ein gigantischer Geröllfluss befinden, der  fiumara Amendolea. Die Fahrt nach Roghudi lässt sich ganz idyllisch an. Wir kommen an eine gefasste Quelle, wo wir unsere Plastikflaschen mit kühlem Bergwasser füllen und die von Hunden behüteten, friedlich grasenden Kühe und Ziegen bestaunen. Kurze Zeit später gabelt sich das Sträßchen. Glücklicherweise kommt uns ein Pickup entgegen, dessen Fahrer wir nach dem Weg fragen. Rechts geht’s nach Casalnuovo, links nach Roghudi, wird uns beschieden und davor gewarnt, dass die Straße nach Roghudi in einem sehr schlechten Zustand sei.

Das unbefestigte Sträßchen, dem wir jetzt Richtung Roghudi folgen, ist nicht nur schlecht, es ist eine Katastrophe! Es führt uns in Kurven, Kurven und nochmals Kurven bergauf, bergab, durch Schluchten und Täler, auf Gipfel und Bergrücken. Wir schlängeln uns zwischen großen und kleinen Steinen, Felsbrocken und Schlaglöchern hindurch, glücklich, wenn wir mal für ein kurzes Stück in den zweiten Gang schalten können. Hat hier ein Erdbeben gewütet oder nur ein schreckliches Unwetter? Aus dem Nichts taucht plötzlich ein altes Männchen auf, das in dieser verlassenen Ödnis neben der Straße auf einem großen Stein sitzt. Obwohl es recht verdrießlich schaut, grüßen wir freundlich. Da lacht es und winkt uns zu. Solchen alten Männern, die einfach nur an den Berghängen sitzen, begegnen wir jetzt immer wieder. Ob die für irgend jemanden Schmiere stehen?

Nach scheinbar endloser Fahrt geht es das letzte Stück abenteuerlich steil den Berg hinunter. Es eröffnen sich grandiose Ausblicke auf den 1307 Meter hohen Monte Lesti o Grosso, bevor wir wieder an eine Straßengabelung gelangen. Rechts geht es nach Ober-Roghudi, links nach Roghudi . Wo wollen wir hin? Wir entscheiden uns für das unmittelbar rechts liegende Ober-Roghudi. Das halbverfallene Dorf wirkt nicht gerade sehr einladend. Inzwischen hat sich auch der Himmel etwas bewölkt und der ungastliche Eindruck verstärkt sich noch. Die Straße führt an einem aufgelassenen Friedhof vorbei, dessen leere Grabkassetten uns bedrohlich anstarren. Wir sehen, dass wenige Gräber mit frischen Blumen geschmückt sind. Als wir an den ersten, unbewohnt wirkenden Häusern vorbeifahren, stehen in einer zugewachsenen Einfahrt zwei nagelneue, schmucke Pkws. Ein merkwürdiger Kontrast. Fahrer sind nirgends auszumachen. Am Ende des Dorfes ist an einem Haus ein großer weißer Hund angebunden und nagt an frischen Knochen. Doch von Menschen fehlt weiterhin jede Spur. Das gespenstisch wirkende Dorf zieht sich den steilen Hang hinauf, oben können wir die Kirche sehen. Einige Häuser scheinen bewohnt zu sein. Doch merkwürdiger Weise kommt in dieser verlassenen Einöde kein neugieriger Dorfbewohner herbei um zu sehen, was für ein Auto sich hierher verirrt hat. Bei der erstbesten Gelegenheit wenden wir den Wagen. Die beklemmende Atmosphäre in Ober-Roghudi ermutigt nicht gerade dazu, Leute zu suchen, die man nach dem richtigen Weg fragen kann. Also fahren wir zurück und schlagen die Straße nach dem anderen Roghudi ein. Wir wundern uns, dass nicht einmal ein Hund anschlägt, wenn Fremde vorbei kommen. Aber hatten wir uns die Bergwelt des Aspromonte nicht ein bisschen finster und unheimlich vorgestellt?

Die andere Straße führt in Serpentinen zum aufgelassenen  Roghudi hinunter. Wir sehen seine Häuser weit unter uns, hingeschmiegt auf einen großen Felsrücken, der in ein gigantisches Geröllbett ragt. Dem Lauf des an die hundert Meter breiten, weiß leuchtenden Flussbettes kann der Blick weit in die Berge folgen. Der fiumara Amendolea, entsprungen am Montalto (1955 m), dem höchsten Berg des Aspromonte, sucht seinen Weg ins Meer. Zwischen dem Hauptstrom und einem kleinen Nebenarm liegt das Geisterdorf Roghudi, dessen Häuser bis zum Flussbett reichen.

Wir folgen der Straße hinunter zum Fluss; über eine Brücke erreichen wir das andere Ufer. Auf einem Schild wird vor der lebensbedrohlichen Flutwelle gewarnt, die sich bei Unwetter rasend schnell in das Flussbett ergießen kann.

In Serpentinen geht es jetzt bergauf bis zu einem halbbewohnten-halbzerfallenen Dorf, auf dessen Straßen auch einige Menschen unterwegs und beim Arbeiten sind. Auf unser Grüßen hellen sich die abweisenden Mienen der Leute auf und man grüßt freundlich zurück. Die Steinhäuser sind eng in den steilen Fels gebaut, es gibt kaum Platz für Autos und Fußgänger. Wie und wovon leben die Menschen hier, besonders im harten Winter, wenn sie von der Außenwelt völlig abgeschnitten sind? Eine Ahnung beschleicht uns, wie Lebensumstände dazu führen konnten, dass sich die Menschen dieser Dörfer eigene Gesetze schufen, zwar Gesetze der wilden Berge und des bitteren Blutes, aber immerhin Gesetze, deren Ehrenkodex das Zusammenleben regelte und das Überleben ermöglichte. Zweifelsohne  stellt heute die kalabresische Mafia, die `ndrangheta, einen Hemmschuh für die Entwicklung des italienischen Südens dar. Doch wenn man sie bekämpfen will, warum verfügen noch heute die Dörfer des südlichen Aspromonte über keine ausreichende Infrastruktur, sind die Straßen kaum befahrbar und wird die touristische Erschließung der fantastischen Bergwelt nicht auf Hochtouren vorangetrieben? Wir kommen ins Grübeln...

Die Straße wird etwas besser und nach viel Kurbelei erreichen wir den Ort Roccoforte del Greco. Wieder ein griechischer Sprenkel. Frage: wenn hier überall die `ndrangheta herrscht und die Gegend von Griechen bewohnt ist, ist die `ndrangheta dann griechischen Ursprungs - ebenso wie sich das Wort “Ndrangheta” von dem griechischen Wort “andragathos ” (tapferer Mann) ableiten soll?  Roccoforte del Greco ist grau, zum Teil verfallen, wirkt abweisend. Es gibt keine Bürgersteige. Treten die Menschen aus ihren Häusern heraus, stehen sie unmittelbar auf der Fahrbahn der Durchgangsstraße. Es gibt nur eine Fahrspur, die sich der Verkehr in beide Richtungen und die Fußgänger miteinander teilen.

Wir fahren weiter durch die Berge in Richtung Bagaladi. Das ständige Bergauf-bergab zwischen Felsbrocken und Steineichen, das Durchqueren ginsterbewachsener Schluchten und Täler, das Erklimmen von Höhen und Gipfeln raubt jede Orientierung. Endlich erreichen wir das Flusstal, in dem Bagaladi, ein etwas größerer und bewohnter Ort, liegt. Am Ortsende gabelt sich die Straße: Leute weisen uns nach links, Richtung Gambarie.

Nach einiger Zeit kommen wir auf eine mit Getreide und Ginster bewachsene Hochebene. Hier wird Schafzucht betrieben und die Bauern führen neben der Käserei auch eine kleine Bar, in der wir als die einzigen Gäste capuccini serviert bekommen. Jetzt ist es schon nach sechs Uhr abends und wir befinden uns immer noch irgendwo inmitten der wilden Bergwelt. Die Bäuerin erzählt, dass wir auf dieser Straße nicht weiterfahren können. Es hätte eine Brücke weggeschwemmt und die Straße sei deswegen gesperrt. Himmel noch mal! Von Gambarie aus hätten wir es nicht weit gehabt zurück zur Küstenstraße. Was tun? Umkehren? Den ganzen Weg zurück fahren? Langsam kriechen aus den Tälern die Nebel hoch. Die Sonne hat sich ganz verzogen und es wird richtig ungemütlich. Wir beratschlagen noch, als ein Landrover neben uns hält und ein junger Mann aussteigt. Die Bäuerin schildert ihm unser Problem. Der Mann mustert uns abschätzend, bevor er erklärt, wir hätten einen Kilometer geradeaus zu fahren, dann müssten wir links in eine Straße abbiegen, die nach Cardeto Sud führt. Nach weiteren fünf Kilometern, bei Getreidesilos, müssten wir dann nach rechts abbiegen. Wir machen uns auf den Weg. Die Abbiegung bei den Getreidesilos finden wir nicht gleich, weil es sich nur um einen Feldweg handelt. Es sind einige unfreundlich blickende Männer unterwegs. Auch wenn die Männer noch so finster blicken, schreckt uns das nicht mehr davon ab zu halten und nach dem richtigen Weg zu fragen. Es dämmert schon und wir wollen unbedingt vor Einbuch der Dunkelheit raus von den Bergen. Der  Feldweg wird zur schlaglöcherigen Sandpiste und wir zweifeln wieder  einmal, ob dieser Weg der richtige sein kann. Als wir gerade beschlossen haben, wieder umzukehren, kommt uns – wir trauen unseren Augen nicht – in eine große Staubwolke gehüllt ein LKW entgegen! Eigentlich erübrigt sich das Fragen, aber wir lassen uns von dem Fahrer trotzdem die Richtigkeit unserer Route bestätigen.

Und dann, als wir es schon gar nicht mehr zu hoffen wagen, mündet unsere Sandpiste auf eine breite Teerstraße. Geht es hier links oder rechts? Wo geht es in die Berge rein und wo geht es hinunter zur Küste? Orientierung haben wir schon lange keine mehr. Wir entscheiden uns für links. Nach wenigen Kilometern treffen wir auf eine Gruppe Jugendlicher, die am Straßenrand herumlungert. Wir geben alle Vorbehalte auf, halten an und fragen nach dem Weg. Nett sind die Jungs, freuen sich, uns helfen zu können und bestätigen die Richtigkeit des von uns eingeschlagenen Weges. Und wirklich, es geht immer stärker bergab, es säumen immer mehr Dörfer die Straße und dann endlich erblicken wir weit hinten das Meer.

 

zu TEIL 1:
Coccorino:
Zimmer mit Aussicht


 

 

zu TEIL 2:
Ausflüge in Südkalabriens Bergwelt


 

 

zu TEIL 3:
Die Westküste Südkalabriens - entlang des Tyrrhenischen Meeres

 

zu TEIL 4:
Der Osten Südkalabriens - entlang des Ionischen Meeres